Darf eine Friedensbewegung sich kritiklos hinter eine
Diktatur stellen, um
einen Krieg zu verhindern? / Mila Mossafer
12.März 2006
Die Regierung der USA drohen mit Krieg. Sie bekamen vom iranischen
„Gottesstaat“ die Argumentationshilfen als Steilvorlage geliefert.
Die Toten, die Zerstörungen und Folgen eines
solchen Krieges würde jedoch vorrangig die iranische Bevölkerung
zu tragen haben. Ich stelle klar, dass
ich jeden Militärschlag, sowohl gegen den
Iran als auch anderswo strikt ablehne, sei es im Namen der „Terrorismusbekämpfung“,
von „Demokratie und Menschenrechten“, für die Rechte der „Frauen“ oder im Falle
Irans, „gegen die atomare Aufrüstung“. Gerade die USA haben traditionell einen
schlechten Ruf im Iran, der von der CIA organisierte Putsch im Jahr 1953, der
zum Sturz der Regierung Mohammad Mossadegs geführt hatte, ist nicht vergessen,
auch wenn Bill Clinton sich später
diesbezüglich entschuldigte. Wohl gemerkt, Iran war kein Einzellfall. Für den
von der CIA am 11. September 1973 angeführte Putsch gegen Salvador Allende, den
damaligen, demokratisch gewählten Präsidenten
Chiles, fehlt bis heute eine Entschuldigung. Ein weiteres Beispiel
geheimdienstlicher Interventionen waren auch die Waffenlieferungen der USA in
den Iran auch während des Boykotts – heute
spricht man von „Irangate“.
Für so manchen genügten die antisemitistischen Äußerungen
eines reaktionären Staatspräsidenten,
um daraufhin geforderte Militärschläge
als legitimieren zu erachten. Amadinedjad hatte dabei die Rhetorik seines
geistigen Führers Khomeini übernommen und mit diesem Instrument versucht, die
Menschen im Iran und in der Region von seinen Fähigkeiten
zu überzeugen. Nach außen und innen stellte
er so Stärke und Macht zur Schau, um die
Hegemonie in den islamischen Ländern im
Nahen und Mittleren Osten zu erlangen. Diese Form der Rhetorik der
Fundamentalisten im Iran sollte aber von den Menschen im Ausland schon längst
durchschaut werden, weil schon alt bekannt. Innenpolitisch sollten diese
Äußerungen
die Iraner von Arbeitslosigkeit, Armut und den anderen innenpolitischen Missständen
ablenken. Ahmadinedjad, ein Mann des Militärs
und Geheimdienstes, versucht so die sozial-politische Unzufriedenheit der Bevölkerung
auf diese Weise ab- und umzulenken. Er ist bemüht, den Iran militärisch
weiter aufzurüsten.
Amadinedjad profitiert von solchen heraufbeschworenen „Außengefahren“;
gegen diese versucht das Regime die Menschen im Iran zu mobilisieren, so seine
Macht zu stabilisieren und zu stärken. Die
iranische Atomtechnologie wird vom Machthaber als „nationales Projekt“
propagiert, um einen Kampf im Namen eines vermeintlich verletzten sozialen
Stolzes zu legitimieren. Dabei werden mit antiisraelischen und
antisemitistischen Äußerungen
„Argumente zur Kriegsführung“ willig geliefert, welche die Busch Regierung nur
zu willig aufgreift.Die Widerstandsbewegungen der Arbeiter aller Branchen, u.a
der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebs, der Frauen-, Jugend- und
Studentenbewegungen, die unter dem der iranischen Ex-Präsidenten
ständig blutig niedergeschlagen worden
waren, zeigen exemplarisch wie sehr iranische Führungen um ihre
Existenz fürchten. Die Provokationen des jetzigen iranischen Präsidenten
und seiner Auslandsvertretungen, in Form von Holocaust-Verleumdungen und erneut
geforderter Vernichtung Israels, sind als Ausdruck eines wieder erstarkenden
Kriegswillens zu deuten. Beispiele aus der jüngeren iranischen Geschichte
sollten uns hier warnen.Schon während des
8-jährigen Iran/Irak Krieges ist es den
iranischen Machthaber gelungen, unter ähnlichen
Vorzeichen die Opposition zu vernichten, was letztendlich im Sommer 1988 zur
Vergeltung an ihnen, zum Massaker an tausenden politischen Häftlingen
in den iranischen Gefängnissen führte und
welches durchaus parallel zur Ratifizierung der Uno-Resolution zum
Kriegsende vom Regime geplant und durchgeführt worden war.Heute kämpft
eine neue Generation für ihre Rechte und gegen das Regime,
allen voran die Frauen, Studentinnen, Arbeiterinnen.
Der aktuelle Staatspräsident des Irans setzt
angesichts der Tatsache, dass er seine Wahlversprechen nicht einhalten kann, auf
ein Spiel um „Alles oder Nichts“ – für die Bevölkerung
eine tödliche Gefahr. So mancher fürchtet
den Iran als eine potenzielle Atommacht, die militärisch
bekämpft werden muss, allen voran die USA
und Israel. Zu vermuten ist aber, dass es den USA vorrangig um
Öl und Hegemoniewünsche bezüglich Irans
geht, einen Status ähnlich dem unter derSchahherrschaft, vor der iranischen
Revolution. Wenn auch besorgt wegen einer sich anbahnenden atomaren Aufrüstung
des Irans, sehen die europäischen Staat
vorrangig ihre ökonomischen Interessen gefährdet,
die sie seit der iranischen Revolution immer
weiter ausbauen konnten, allen voran die Bundesrepublik Deutschland, als der größte
Wirtschaftspartner des Irans. Für sie scheinen die Profite auch ohne einen Krieg
mit der Iranischen Republik noch recht gesichert.Für vielen Iranerinnen und
Iraner, die keinen Kompromiss mit dem iranischen
Machthabern eingehen wollen und können, ist
diese unreflektierte und unkritische internationale „Friedenpolitik“, die
zugunsten des islamischen
Regimes der Republik Iran und nicht in Interesse der iranische Bevölkerung
betrieben wird, unverständlich und
besorgniserregend. Eigentlich wäre es
erforderlich, die 27-jährige innere
Kriegsführung der iranischen Machthaber gegen die eigene Bevölkerung
genauso zu verurteilen, wie die jetzt diagnostizierte „Außengefahr“,
besonders wenn man, wie die Verfasser einer Erklärung
versucht, schon vor einer eventuellen „Revolte“ der iranischen ethnischen
Minderheiten, nämlich der Kurden, zu warnen.
Man musste während der anhaltenden
Unterdrückung und Ermordung iranischer Kurden mitbekommen haben, dass sie im
Iran andere Ziele anstreben als die Verfasser des
Unterstützungsaufrufs.
Zweifellos schadet ein Militärschlag, in
welcher Form auch immer, vorrangig der Bevölkerung
und nicht den Machthabern des Irans. Sie sind bereit für den Erhalt ihrer Macht
unendlich viele Menschenleben zu opfern. Ein Militärschlag
kommt dem islamischen Regime eher zugute, obwohl Ihre Macht auf Unterdrückung
und Ausbeutung der Menschen basiert. Durch die Kriegsdrohungen der USA kann es
dem islamischen Regime gelingen, die Bevölkerung
zu ihren Gunsten schon vorab in eine empfundene, potentionelle Opferrolle zu manövrieren,
um die Kriegsbereitschaft zu fördern. Aus
oben gesagtem resultiert die Forderung an die internationalen Friedensbewegungen
und Demokratien, den Widerstand der iranischen Bevölkerung
gegen die Diktatur aktiv zu unterstützen. Neoliberale Strömungen
in der US-amerikanischen Regierung wollen mit einem Militärschlag
einerseits, um
ein „Regimewechsel“ herbeiführen, andererseits sollen ihre geopolitischen und
ökonomischen Interessen im Iran umsetzt werden. Die USA haben ihre
finanzielle Unterstützung für die Entwicklung von „Demokratie und
Menschenrechten“ von 10 Millionen $ auf 75 Millionen angehoben. Dabei stehen
jedoch nicht die legitimen Interessen der iranischen Bevölkerung
im Focus, der angestrebte „Regimewechsel“ dient eher der Sicherung der
ökonomischer Interessen der amerikanischer und internationaler
neoliberaler Strömungen. Weiterhin soll u.a.
auch Druck auf die Iranische Republik ausgeübt werden, um damit sie ihre
Unterstützung der Schiiten im Irak zu reduziert, wenn nicht aufgibt. Den
Regimewechsel will die USA nicht unbedingt nur mit einem Krieg zu erreichen.
Auf der einen Seite hat die Islamische Republik Iran bezüglich des Krieg gegen
Saddam Hussein „grünes Licht“ für einen Militärschlag
gegen den Irak gegeben, um fundamentalistische schiitische alternative Strömungen
unterstützend an die Macht zu bringen und so die eigene Hegemonie in der
Region ein Stück weiter voran zu treiben.
Um die Versuche des Ausbaus neoliberaler Hegemonialinteressen der US-Regierung
auf der anderen Seite zu stoppen, müssen die internationalen
Friedenbewegungen die Bevölkerung der Welt
„von unten“ zu mobilisieren. Die fatalen Konsequenzen eines Militärschlages
würden in erster Linie die
Bewohner der Staaten Mittleren und Nahen Ostens zu spüren bekommen, zudem zeigt
auch das Beispiel Irak ihre Kontraproduktivität,
nämlich die Zunahme von Fundamentalismus und
Totalitarismus.
Aus der Auseinandersetzung mit der iranischen Politik, auch der Atompolitik, lässt
sich nicht die Berechtigung zur Aufforderung militärischen
Eingreifens ableiten oder legitimieren. Genauso falsch ist aber auch die
unreflektierte, nachsichtige Unterstützung des iranischen Regimes, nicht zuletzt
aus Rücksicht auf die eigenen außenwirtschaftlichen
Interessen. Natürlich darf dabei nicht vergessen werden, dass dieses Regime
keineswegs die Interessen der Menschen im Iran vertritt, auch die regelmäßigen
Menschenrechtsverletzungen dürfen in keinem Fall verschwiegen und toleriert
werden. Der iranischen Bevölkerung wird noch
immer vorgeschrieben, was sie zu denken und zu glauben, wie sie sich zu
verhalten hat, sie ist bis heute nicht frei.Jede politische und
ökonomische Auseinandersetzung mit der
Islamischen Republik muss die potentiell entstehenden Risiken für die Bevölkerung
angemessen berücksichtigen. Das islamische System muss von innen, von der
iranischen Bevölkerung bekämpft
werden. Der einzige Garant für Frieden in der Region ist unter anderem ein von
der Bevölkerung getragenes demokratisches
iranisches System. Die Kämpfe der Menschen
im Iran für soziale Gerechtigkeit, für Organisationsrechte, für die Presse- ,
Versammlungs- und Meinungsfreiheit, der Frauenbewegung gegen die
frauenfeindliche Gesetze, und der Studentenbewegung brauchen unsere politische,
nicht militärische Unterstützung.
Blitzschnelle Erfolge der für demokratische Rechte kämpfenden
Menschen im Iran sind nicht zu erwarten, es wird dauern – aber sich nachhaltiger
auswirken als jeder Militärschlag. Die
Gründung und die Bestrebungen der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebs (Vahed)
ist als ein Beispiel der Kämpfe iranischer
Arbeiterinnen und Arbeiter zu erwähnen,
denen die internationale Unterstützung fehlte. Über
tausend Mitglieder dieser Gewerkschaft wurden bei einem Streik für die
Freilassung ihres Gewerkschaftsvorstandes im Januar 2006 festgenommen, ohne das
erforderliche Medienecho und angemessenen Protest im Ausland zu bewirken.
Heute fehlt eine starke Friedensbewegung wie zur Zeit des Vietnam-Krieges. Ohne
eine solche kann die Busch- Administration unter verschiedensten Vorwänden
ihre angestrebte neue Weltordnung mit dem Mittel des Krieges immer weiter
durchsetzen, trotz zunehmend öffentlich
werdender gravierender Menschenrechtsverletzungen durch die USA. Daran, dem
entgegen zu wirken, müssen sich nicht zuletzt auch die Erfolge der
internationale Antiglobalisierungsbewegung messen lassen.
Ein weltweiter Aufruf zur Solidarisierung mit der, durch die Kriegsdrohungen
gegen den Iran, massiv gefährdeten Bevölkerung
und auch gegen jede atomare Aufrüstung erscheint dringend nötig
und überfällig.