iran

Tod in der Folterzelle

Am 11. Juli 2003 starb die Fotografin Zahra Kazemi in einem iranischen Gefängnis.

Zum ersten Mal bestätigt ein Arzt: Sie wurde brutal misshandelt. Protokoll eines Justizmordes

Von Haideh Daragahi und Arne Ruth


 

In der Notaufnahme des Baghiattulah-Krankenhauses hatte der Arzt gerade seine Schicht angetreten, als um 0.15 Uhr am 27. Juni 2003 eine Frau aus dem Evin-Gefängnis eingeliefert wurde. Drei Gefängniswärter brachten sie; im Begleitschreiben hieß es, Verdauungsprobleme hätten Blutungen ausgelöst. Sehr schnell stellte der Arzt fest, dass die Patientin wegen einer Schädelfraktur bewusstlos war und dass ihr Körper mit Wunden und blauen Flecken übersät war. Die folgenden Ereignisse änderten sein Leben von Grund auf.

Der Arzt heißt Schahram Asam, ein schmaler, angespannt wirkender Mann Ende dreißig. Damals arbeitete er im Rang eines Majors im iranischen Verteidigungsministerium. Seit Montag dieser Woche lebt er mit seiner Frau und der zwölfjährigen Tochter in Kanada, das der Familie politisches Asyl gewährt hat. Der Zufall hat ihm die Rolle einer Hauptfigur im letzten Akt einer Tragödie zugewiesen, die international für Unruhe gesorgt hat und die Beziehungen zwischen Kanada und der Islamischen Republik seit mehr als 19 Monaten belastet: die letzten Tage im Leben der 54 Jahre alten iranischstämmigen Fotojournalistin Zahra Kazemi.

Zahra Kazemi hatte in Frankreich Film studiert und über Kunst und Fotografie promoviert und war seit 1997 kanadische Staatsbürgerin. Am 23.Juni 2003 wurde sie in Teheran festgenommen; drei Wochen später wurde ihr Tod infolge eines Hirnschlages offiziell bekannt gegeben. Da beherrschte ihr Schicksal schon die Schlagzeilen in Kanada und anderen westlichen Ländern. Am 23. Juli berief das kanadische Außenministerium seinen Botschafter aus Iran ab; er kehrte erst im Oktober 2003 zurück.

Am Tag ihrer Festnahme hielt Zahra Kazemi sich mit einer vom iranischen Informationsministerium ausgestellten Arbeitsgenehmigung in Teheran auf. Sie wurde vor dem Evin-Gefängnis verhaftet, als sie die Demonstration von Verwandten der Studenten fotografierte, die einige Tage zuvor bei einer viertägigen Protestaktion inhaftiert worden waren.

Der Arzt Schahram Asam will der Welt mitteilen, was er weiß. Er hat mit angesehen, wie ein Mensch an den Folgen von Folter starb, und er will sich nicht durch Schweigen mitschuldig machen. So beschreibt er Zahra Kazemis Zustand bei ihrer Einlieferung in die Notaufnahme:

»Als ich sie zum ersten Mal sah, lag sie mit einem Laken zugedeckt bewusstlos auf der Trage, und nur ein Bluterguss war auf ihrer Stirn zu erkennen. Gemäß der Diagnose des Gefängniskrankenhauses versuchte eine Schwester, ihr durch die Nase eine Magensonde einzuführen, aber wir stellten fest, dass der Nasenknochen gebrochen war. Am ganzen Körper waren seltsame Spuren von Gewalt zu sehen: Ein großer Bluterguss reichte von der rechten Stirnseite bis zum Ohr. Die Ohren sahen intakt aus, aber ein Trommelfell war frisch aufgeplatzt, und ein aufgerissenes Blutgefäß war zu sehen. Links am Hinterkopf saß ein großer beweglicher Bluterguss. Drei tiefe Kratzer am Nacken sahen aus, als wären Nägel durch das Fleisch gezogen worden. Die rechte Schulter war geschwollen, und zwei Finger der linken Hand waren gebrochen. An drei Fingern waren die Nägel gebrochen oder fehlten ganz.

Kazemis Verbrechen: Fotos von einer Demonstration zu machen

Der linke Lungenflügel war aufgebläht, vermutlich wegen zwei gebrochener Rippen. Ein riesiger Bluterguss erstreckte sich vom Bauchbereich über die Oberschenkel bis zu den Knien. In Iran dürfen männliche Ärzte keine Vaginaluntersuchung vornehmen, aber meine Krankenschwester untersuchte diesen Bereich eingehend und sagte, die Verletzung betreffe den gesamten Genitalbereich und sei auf eine äußerst brutale Vergewaltigung zurückzuführen. An der Rückseite beider Beine war die Haut zerfetzt, offensichtlich als Folge heftiger Schläge, mit fünf Striemen an einem Bein und sieben am anderen. Der linke große Zeh war zerquetscht.«

Als Dr. Asam die Patientin drei Stunden später zur Computertomografie brachte, traf er zufällig zwei Kollegen, die nicht dort arbeiteten, die aber Belegbetten in dem hervorragend ausgestatteten Krankenhaus hatten. »Sie waren schwer erschüttert, als sie Zahra Kazemis Zustand sahen. Als sie fragten, was geschehen war, und ich antwortete, dass sie brutal misshandelt worden sei, wollten sie wissen, ob sie vom Gefängnis aus eingeliefert worden sei. Ich bejahte. Bevor ich noch eine Frage stellen konnte, sagten sie mir, wer sie war und unter welchen Umständen sie festgenommen worden war. Ich habe nicht nachgefragt, aber ich bin sicher, dass sie an der Demonstration teilgenommen hatten, bei der Zahra Kazemi verhaftet worden war. In diesem Moment wurden mir die politischen Implikationen ihres Zustandes klar.«

Kazemi war der Spionage verdächtigt worden; bis zu ihrer Einlieferung ins Baghiattulah-Krankenhaus hatte sie unter Aufsicht von Generalstaatsanwalt Said Mortasawi gestanden. Mortasawi, ein Intimus von Religionsführer Chamenei, verdankt seine Bekanntheit der Tatsache, dass er im Jahr 2000 innerhalb eines Monats 150 Zeitungen verboten und damit allen Hoffnungen auf politische Reformen in Iran den Todesstoß versetzt hatte.

Einige Stunden nach Kazemis Ankunft im Krankenhaus am 27. Juni wurde ihr Hirntod festgestellt, doch mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine wurde sie noch zwei Wochen am Leben erhalten. Am 10. Juli bestellte das kanadische Außenministerium den iranischen Botschafter ein und forderte Kazemis Behandlung durch unabhängige Ärzte sowie eine Untersuchung der Verletzungen.

Am 11. Juli wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt. Am folgenden Tag gab das Teheraner Informationsministerium Kazemis Tod bekannt. Dass sie eines gewaltsamen Todes gestorben war, wurde nicht erwähnt.

Der Fall löste nicht nur eine diplomatische Krise aus, sondern er führte auch zu einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen Kazemis Sohn Stephen Hashemi, einem kanadischen Staatsbürger, und dem iranischen Staat. Hashemi lehnte eine Entschädigung von 12000 Dollar für den Tod seiner Mutter ab und forderte mit Unterstützung seiner Regierung, dass der Leichnam zur Autopsie und Bestattung nach Kanada überführt würde. Stattdessen wurde Kazemis Leiche in aller Eile in ihrer Geburtsstadt Schiras in Südiran beerdigt.

Kurze Zeit später bezeugte Kazemis Mutter, sie sei von den Behörden erpresst worden, der Beerdigung zuzustimmen. Sie rief die »Artikel-90-Kommission« an, einen reformorientierten Ausschuss des iranischen Parlaments, der Beschwerden von Bürgern entgegennimmt. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, und als Reaktion auf den internationalen Druck setzte auch Irans Präsident Mohammed Chatami einen fünfköpfigen ministeriellen Ausschuss ein.

Die Berichte der beiden Gremien geben sehr unterschiedliche Todesursachen an. Der kurz nach dem ministeriellen Bericht veröffentliche Parlamentsbericht erklärt die Festnahme und Inhaftierung Kazemis für rechtswidrig und befindet überdies, dass Mortasawi versucht habe, die Ursache ihrer Verletzungen und ihres Todes zu verschleiern. Mohammed Choschbacht, der für die ausländische Presse zuständige Beamte im Informationsministerium, sagte vor dem Ausschuss aus, er habe als offizielle Todesursache »Hirnschlag« angegeben, weil Said Mortasawi ihm mit Verhaftung gedroht habe.

Der Bericht hielt auch fest, dass Wärter des Evin-Gefängnisses ursprünglich ausgesagt hatten, Kazemi sei bewusstlos geschlagen worden, als der Sicherheitschef der Haftanstalt, Mohammed Bachschi, weniger als eine Stunde nach der Verhaftung versuchte, ihr im Gefängnishof die Kameratasche abzunehmen. Diese Angaben mehrerer Wärter und einer Wärterin, die Kazemi ins Gebäude gebracht hatte, wurden später auf Druck der Justizbehörden zurückgenommen.

Der kurz vor der Beerdigung veröffentlichte Bericht des ministeriellen Ausschusses ließ alle diese Punkte aus. Kazemi sei vielmehr festgenommen worden, weil sie sich geweigert habe, ihre Fotoausrüstung in der Obhut der Behörden zu lassen und in ihr Hotel zurückzukehren. Der Bericht bestätigte, dass Kazemi an Kopfverletzungen gestorben war, ging aber nicht auf deren Ursachen ein, sondern schrieb ihren Tod einem Zufall zu.

Der designierte »Mörder« wurde freigesprochen

Nach einer Auseinandersetzung zwischen reformwilligen und konservativen Kräften wurde im September 2003 Mohammed Resa Aghdam Ahmadi, ein Beamter des reformorientierten Informationsministeriums, als mutmaßlicher Mörder benannt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, das Verbrechen sei von einem Einzeltäter begangen worden; von einer Beteiligung offizieller Stellen könne keine Rede sein. In einem Prozess wurde Ahmadi am 24. Juli 2004 freigesprochen.

Bei der Verhandlung bezeichneten die Anwälte von Kazemis Mutter Mohammed Bachschi, den Sicherheitschef des Gefängnisses und Verbündeten von Said Mortasawi, als möglichen Mörder. Vier Tage später erklärte die iranische Justiz, die tödlichen Kopfverletzungen seien auf einen Unfall zurückzuführen. Der Kampf zwischen den zwei Fraktionen geht weiter. Anfang Februar 2005 erklärte Irans Botschafter in Großbritannien, Zahra Kazemi sei von Sicherheitsbeamten ermordet worden.

Schahram Asam überrascht dieser absurde Streit nicht. Drei von fünf Ministern in dem von Präsident Chatami einberufenen Ausschuss hatten immerhin von der Verhaftung gewusst, ohne dagegen einzuschreiten, womit die Bühne vorbereitet war für eine große Vernebelungsaktion. Asam hält die Versuche beider Seiten, sich gegenseitig die Verantwortung für den Tod Kazemis zuzuschieben, schlicht für lächerlich. Das Regime sei es nicht gewohnt, Rechenschaft ablegen zu müssen; daher sei es völlig aus der Fassung geraten.

»So wie Indien für seine Naturwunder und das alte Ägypten für seine architektonischen Wunder bekannt sind, sollte Iran für seine politischen Wunder gerühmt werden. Anscheinend kam es beiden Seiten der Macht einzig und allein darauf an, der Gegenseite den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die Minister, die erklärten, dass von Gewaltanwendung nichts zu erkennen gewesen sei, taten dies, nachdem sie uns im Krankenhaus befragt hatten. In ihren eigenen Worten: ›Es ist unklar, ob der Tod darauf zurückzuführen ist, dass ein harter Gegenstand ihren Kopf traf oder dass ihr Kopf auf einen harten Gegenstand schlug.‹ Dabei bezeugte ihr ganzer Körper die Anwendung von Folter. Ich hatte keine Wahl, als einen Weg zu finden, um die Wahrheit in die Welt zu tragen. In Iran war das nicht möglich. Mir wäre es ebenso ergangen wie ihr. Ich sprach mit meiner Frau, und wir beschlossen, Iran zu verlassen.«

Da Angehörige des Militärs das Land nur im Rahmen ihres Dienstes verlassen dürfen, musste Dr. Asam einen Vorwand finden, um eine besondere Auslandsreisegenehmigung zu beantragen, ohne Verdacht zu erregen. Die Lösung war eine chronische Wunde, die er als 15-jähriger Soldat im Iran-Irak-Krieg erlitten hatte. Er durfte zu einer Spezialbehandlung in den Westen reisen, musste aber die Besitzurkunden für das Teheraner Haus der Familie als Pfand hinterlegen.

Noch gibt es keinen unabhängigen Untersuchungsbericht über den Tod Zahra Kazemis. Eine spekulative, aber begründete Rekonstruktion des Geschehens und der Motive der Beteiligten könnte indes so aussehen:

Als Frau Kazemi verhaftet und Mohammed Bachschi, dem Sicherheitschef des Evin-Gefängnisses, übergeben wird, informiert dieser seinen engen Vertrauten Staatsanwalt Mortasawi von der Verhaftung. Dieser sieht eine goldene Gelegenheit, die ausländischen Journalisten aus Iran zu vertreiben – wenn er den Vorwurf der Spionage hart machen kann. Zum ersten Mal kann er eine ausländische Journalistin, noch dazu eine Frau, auf Persisch verhören. Die Taktik scheitert allerdings, da Kazemi den Spionagevorwurf standhaft zurückweist. Mortasawi bleibt nur wenig Zeit, sie zu einem Geständnis zu bringen. Dies und die Frustration darüber, dass eine Frau es wagt, ihm die Stirn zu bieten, erklären vielleicht die Eskalation der Gewalt.

Der designierte »Mörder« wurde freigesprochen

Nach einer Auseinandersetzung zwischen reformwilligen und konservativen Kräften wurde im September 2003 Mohammed Resa Aghdam Ahmadi, ein Beamter des reformorientierten Informationsministeriums, als mutmaßlicher Mörder benannt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, das Verbrechen sei von einem Einzeltäter begangen worden; von einer Beteiligung offizieller Stellen könne keine Rede sein. In einem Prozess wurde Ahmadi am 24. Juli 2004 freigesprochen.

Bei der Verhandlung bezeichneten die Anwälte von Kazemis Mutter Mohammed Bachschi, den Sicherheitschef des Gefängnisses und Verbündeten von Said Mortasawi, als möglichen Mörder. Vier Tage später erklärte die iranische Justiz, die tödlichen Kopfverletzungen seien auf einen Unfall zurückzuführen. Der Kampf zwischen den zwei Fraktionen geht weiter. Anfang Februar 2005 erklärte Irans Botschafter in Großbritannien, Zahra Kazemi sei von Sicherheitsbeamten ermordet worden.

Schahram Asam überrascht dieser absurde Streit nicht. Drei von fünf Ministern in dem von Präsident Chatami einberufenen Ausschuss hatten immerhin von der Verhaftung gewusst, ohne dagegen einzuschreiten, womit die Bühne vorbereitet war für eine große Vernebelungsaktion. Asam hält die Versuche beider Seiten, sich gegenseitig die Verantwortung für den Tod Kazemis zuzuschieben, schlicht für lächerlich. Das Regime sei es nicht gewohnt, Rechenschaft ablegen zu müssen; daher sei es völlig aus der Fassung geraten.

»So wie Indien für seine Naturwunder und das alte Ägypten für seine architektonischen Wunder bekannt sind, sollte Iran für seine politischen Wunder gerühmt werden. Anscheinend kam es beiden Seiten der Macht einzig und allein darauf an, der Gegenseite den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die Minister, die erklärten, dass von Gewaltanwendung nichts zu erkennen gewesen sei, taten dies, nachdem sie uns im Krankenhaus befragt hatten. In ihren eigenen Worten: ›Es ist unklar, ob der Tod darauf zurückzuführen ist, dass ein harter Gegenstand ihren Kopf traf oder dass ihr Kopf auf einen harten Gegenstand schlug.‹ Dabei bezeugte ihr ganzer Körper die Anwendung von Folter. Ich hatte keine Wahl, als einen Weg zu finden, um die Wahrheit in die Welt zu tragen. In Iran war das nicht möglich. Mir wäre es ebenso ergangen wie ihr. Ich sprach mit meiner Frau, und wir beschlossen, Iran zu verlassen.«

Da Angehörige des Militärs das Land nur im Rahmen ihres Dienstes verlassen dürfen, musste Dr. Asam einen Vorwand finden, um eine besondere Auslandsreisegenehmigung zu beantragen, ohne Verdacht zu erregen. Die Lösung war eine chronische Wunde, die er als 15-jähriger Soldat im Iran-Irak-Krieg erlitten hatte. Er durfte zu einer Spezialbehandlung in den Westen reisen, musste aber die Besitzurkunden für das Teheraner Haus der Familie als Pfand hinterlegen.

Noch gibt es keinen unabhängigen Untersuchungsbericht über den Tod Zahra Kazemis. Eine spekulative, aber begründete Rekonstruktion des Geschehens und der Motive der Beteiligten könnte indes so aussehen:

Als Frau Kazemi verhaftet und Mohammed Bachschi, dem Sicherheitschef des Evin-Gefängnisses, übergeben wird, informiert dieser seinen engen Vertrauten Staatsanwalt Mortasawi von der Verhaftung. Dieser sieht eine goldene Gelegenheit, die ausländischen Journalisten aus Iran zu vertreiben – wenn er den Vorwurf der Spionage hart machen kann. Zum ersten Mal kann er eine ausländische Journalistin, noch dazu eine Frau, auf Persisch verhören. Die Taktik scheitert allerdings, da Kazemi den Spionagevorwurf standhaft zurückweist. Mortasawi bleibt nur wenig Zeit, sie zu einem Geständnis zu bringen. Dies und die Frustration darüber, dass eine Frau es wagt, ihm die Stirn zu bieten, erklären vielleicht die Eskalation der Gewalt.

Bei rechtzeitiger Behandlung hätte Kazemi gerettet werden können

Was die Vergewaltigung betrifft, so ist dazu nur bekannt, dass Mortasawis Stellvertreter spät nachts Kazemis Zelle betrat, um sie zu verhören, was sehr ungewöhnlich ist. Laut Aussageprotokollen in den Gefängnisakten kam es zu einem Kampf in der Zelle. Könnten die zweite Kopfverletzung und die Kratzer im Nacken der Frau von diesem Kampf herrühren? Eine weitere dokumentierte Aussage von ihr scheint diese Vermutung zu bestätigen: Als Kazemi mit verbundenen Augen aus dem Informationsministerium ins Evin-Gefängnis zurückgebracht wird, hört sie die Stimme des Vernehmungsbeamten und nennt ihn einen ›niederträchtigen, ehrlosen Mann‹. Sie klagt jetzt, Zeugenberichten zufolge, über Kopfschmerzen und Übelkeit und wird ins Gefängniskrankenhaus gebracht. Obwohl ihr Zustand sich rapide verschlechtert, bringt man sie erst Stunden später ins Baghiattulah-Krankenhaus. Da liegt sie bereits im Koma.

Um drei Uhr morgens klingelte bei Dr. Asam das Telefon. Ein Anrufer aus dem Büro der Staatsanwaltschaft erkundigte sich nach Kazemis Zustand. »Sie waren offensichtlich sehr besorgt. Spezialisten haben mir gesagt, dass sie hätte gerettet werden können, wenn man sie rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht hätte.«

Dr. Asam hofft, dass seine Aussage zu einem Verfahren vor einem internationalen Gerichtshof führt, in dem alle Beweise gesammelt, überprüft und gewürdigt werden, um der Welt zu zeigen, dass ein Mensch in der Islamischen Republik Iran von der Straße weg verhaftet und innerhalb von fünf Tagen totgeschlagen und beseitigt werden kann. Bisher wurden die zahlreichen Fälle von Folter stets von den Opfern selbst angezeigt. Mit Schahram Asam dagegen berichtet ein unabhängiger Beobachter aus dem Inneren des Systems selbst.

»Die Ereignisse in und um Iran herum deuten darauf hin, dass wir uns an einem historischen Scheideweg befinden. Stärker als früher nimmt die Welt die Menschenrechtsverletzungen in meinem Land wahr. Auch in Iran selbst belasten die willkürlichen Verhaftungen und Morde das Regime zunehmend. Mein Bericht dürfte den Machthabern zumindest klar machen, dass sie eines Tages zur Kasse gebeten werden könnten.«

Dr. Asam ist sich sicher, dass in seinem Land heute eine tiefe Sehnsucht nach Veränderung herrscht und dass die Menschen der Gewalt müde sind. Die Iraner, so glaubt er, hoffen verzweifelt auf das Ende der Exekutionen, Massenmorde und Vergeltungsaktionen. Auf eine friedliche und demokratische Lösung, ähnlich wie in Südafrika.

»Ein Freund von mir hat es so formuliert: Als führende Politiker der Schah-Regierung im Jahr 1979 ohne Gerichtsverfahren exekutiert wurden und weder Intellektuelle noch politische Organisationen oder die Öffentlichkeit protestierten, wurde die Saat der Gewalt gelegt und die Welle von Hinrichtungen in den Gefängnissen Ende der Achtziger vorbereitet. Diesmal wollen wir keine Vergeltung, lieber machen wir Witze: ›Wir sind sogar bereit, Chamenei aus unseren eigenen Taschen zu bezahlen, wenn er bloß geht.

Haideh Daragahi ist eine schwedisch-iranische Schriftstellerin, Journalistin und Wissenschaftlerin. Arne Ruth, früherer Herausgeber der Tageszeitung »Dagens Nyheter« in Stockholm, ist Schriftsteller und Hochschullehrer

Aus dem Englischen von Elisabeth Thielicke